aktuell, 18.03.2016
Buchbesprechung 'Der Meteorologe' von Olivier Rolin
Totalitäre Systeme sind schecklich, Diktaturen jeglicher Coleur ebenso. An einem Tag wie heute zeichnet der Autor Olivier Rolin das Porträt des Chefmeteorologen der UdSSR, Alexei Wagenheim. Geboren im Jahr 1881 in einem Dorf in der Ukraine, aufgewachsen in den unruhigen Zeiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Alexei Wagenheims Leidenschaft - die ihm vielleicht vom Vater mit in die Wiege gelegt wurden, der auf seinem landwirtschaftlichen Gut eine Wetterstation betrieb - waren Wolken, Winde und Luftmassen, die über die endlosen russischen Weiten zogen.
Wagenheim gründete 1930 den russischen Wetterdienst, der am 1. Januar 1930 erstmals über Langwelle Wetterberichte über das Radio ausstrahlte, um in dem großen Land die Versorgungslage der Landwirtschaft zu verbessern. Er kümmerte sich um die ersten Aufstiege mit Sonden bis in die Stratosphäre und berechnete Vorhersagen über Eis auf den Nordmeeren. Der "Mann des Wetters" musste während des 1. Weltkriegs Windvorhersagen an der Front unternehmen, denn den Gaskrieg gab es nicht nur im Westen.
Als Leiter des vereinigten Hydro-Meteorologischen Dienstes der UdSSR kannte er die wichtigsten Figuren der Revolution und er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften.
Es folgten schlimme Jahre, denn Genosse Stalin, der ja nie irren durfte, sorgte mit der landwirtschaftlichen Reform für eine der schlimmsten Hungersnöte aller Zeiten in der heutigen Ukraine.
Katzen, Hunde, Insekten und sogar das Fleisch Verstorbener mussten als Nahrung herhalten. Stalin führte einen Geheimdienststaat ein, der "Vorbild" für viele andere Diktatoren weltweit werden sollte. Gerüchte reichten aus, um verhaftet, gefoltert und zu einem aberwitzigen Geständnis gezwungen zu werden. So geschah es auch dem Chefmeteorologen, unserem Meteorologen Alexei Wagenheim. Ihm wurde 1934 vorgeworfen, eine Revolution im Wetterdienst anzustreben und dem Gegner zuzuarbeiten.
Andere Meteorologen belasteten ihn nach erzwungenen Geständnissen schwer. Die genauen Vorwürfe waren im Wesentlichen Nebensächlichkeiten, die vom Geheimdienst aufgebauscht wurden. So wurde ihm zur Last gelegt, die westliche norwegische meteorologische Schule eingeführt zu haben (bis heute weltweit vorbildlich), die Tiefs besonders gut beschreibt. Für einen Geheimdienst ein gefundenes wie dummes Fressen.
In "Der Meteorologe" spielt das Wetter nur eine Nebenrolle, vielmehr ist es ein Werk gegen die Geheimdienste und deren Macht. Wird diese Macht nicht entschieden kontrolliert und beschränkt, wird sie zur eigentlichen im Staate. Auch in Deutschland heute kann man die negative Macht im Rahmen des Verfassungsschutzes bei der NSU verfolgen. Und auch hierzulande gibt es politische Gefangene, die nur durch Erlasse gegen den "Terror" im Gefängnis sitzen. Jene werden nur zum Teil kontrolliert, beispielsweise wenn man an Verhaftungen von Kurden, Tamilen und anderen Angehörigen von verfolgten Minderheiten im Ausland denkt, die Deutschland meist zu Unrecht kriminalisiert werden.
Olivier Rolin: Der Meteorologe
Liebeskind Verlag, München 2015
191 Seiten, 32 Seiten farbige Abbildungen, 19,90 EuroISBN: 978-3-95438-049-7
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