Klima, 04.04.2017
Buchvorstellung: Spielten Klimaveränderungen beim Ausbruch des syrischen Bürger- und Stellvertreterkrieges eine Rolle?
Über fünf Millonen Flüchtlinge, Giftgasangriffe, zerstörte Städte und wilde Horden von Al Nusra und IS. Diese wenigen Schlagworte des Krieges in Syrien halten einem tagtäglich die Horrorszenarien vor Augen, die sich in dem Bürgerkriegsland nun schon seit 2011 abspielen.
Bis 2014 interessierte sich die deutsche Öffentlichkeit dabei nur am Rande für den Konflikt, der weit weg zu sein schien und erst beim Überfall des IS auf die Stadt Kobane in Deutschland Schlagzeilen machte. Später kam dann die Flüchtlingskrise hinzu, die das Interesse an Syrien weiter weckte.
Der Autor Arzu Demir stellt den Syrienkonflikt in seinem Buch aus der Perspektive Rojavas dar. Rojava? Im Norden Syriens fíndet sich ein Gebiet, in welchem Kurden, Aramäer, Araber und viele weitere Minderheiten leben und welches sich in einer demokratischen Selbstverwaltung regiert. Die dort Lebenden nennen es Rojava, was sinngemäß soviel wie "westliches Kurdistan" bedeutet.
In Rojava soll bewusst auf klassische Staatselemente verzichtet werden und auch Religion stellt nichts Trennendes dar. Mit Hilfe eines Kommunen- und Rätesystems wird versucht, Frauen und Männer sowie verschiedene Volksgruppen untereinander zu integrieren. Bedroht von den schlimmsten Fanatikern aus Saudi-Arabien und Quatar sowie dem Despoten Erdogan konnte sich Rojava nun über fünf Jahre lang halten und sogar weiter ausdehnen, da es den Menschen in den Mittelpunkt setzt - und nicht Geld und Religion. Inzwischen unterstützen auch Russland und die USA dieses Projekt und helfen den Verteidigungskräften der YPG beim Kampf gegen den IS in deren Hochburg Rakka.
Azur Demir zeigt, dass der Syrien-Konflikt nicht wirklich überraschend auftrat, eine Eskaltion zwischen der Türkei und Syrien deutete sich bereits 1998 an. Erst als Abdullah Öcalan (am 3.7.1979 ging er nach Kobane) im Jahr 1998 aus Syrien ausgewiesen wurde, beruhigte sich kurzzeitig das Verhältnis zwischen Assad und der Türkei. 2004 kam es während eines Fußballspiels in Quamischloh zwischen Arabern und Kurden zu geplanten Ausschreitungen mit staatlicher Unterstützung, die zur Folge hatten, dass sich die Kurden auf Dauer stärker selber verwalteten und zögernd über die Frauenverbände Strukturen aufbauten.
Im Jahr 2011 wehte der Wind des "arabischen Frühlings" durch Syrien, aus Tunesien kommend. Dem Beispiel eines Händlers aus Tunesien folgend, opferte sich Ende Januar 2011 ein Syrer, Ali Akleh, in Haseke in Form einer Selbstverbrennung - um gegen den Dikator Assad und seine Baath Partei zu protestieren. Assad ist übrigens ein in England ausgebildeter Augenarzt und greift trotzdem zu Chlorgas.
Wenige Monate später kam es in Dera an der syrisch/jordanischen Grenze zu Aufständen, die ersten in Syrien. Nach einer langen Dürre kam es zu Hunger und hoher Arbeitslosigkeit. Fünfzehn Jugendliche schrieben Parolen an Wände und wurden vom Regime verfolgt und gefoltert. Nach wenigen Tagen gab es einen Aufstand und die Stadt war in der Hand der lokalen Bevölkerung.
Von diesem dürregeplagten Orte breitete sich die Revolution aus und Assad versuchte, mit Kompromissen zu reagieren. Es war aber bereits zu spät. Der Feuersturm der Veränderung wehte durchs Land und lockte Kriminelle aus allen Ländern der Erde an, besonders religiöse Fanatiker, die unterstützt von Staaten wie der Türkei, plünderten und mordeten.
Wie bei allen historischen Revolutionen ist auch in Syrien ein Muster aus Armut und Hunger als Folge von Klimaveränderungen als Grund zumindest mitanzusehen.
Im Norden Syriens ist eine echte Lebensalternative im Nahen Osten entstanden - trotz, oder gerade wegen des Wahnsinns drumherum.
"Die Rojava Revolution" von Arzu Demir,
erschienen im Zambon Verlag 15,00 Euro (ISBN: 978-3889752628)
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