Seit über fünfzehn Jahren ergeben sich für mich tiefe Einblicke in die Türkei, da ich mehrere Monate im Jahr dort auch lebe. Es sind interessante Vergleichsmöglichkeiten mit dem kalten und grauen deutschen Bruder.
Die meisten Ökonomen haben schon vor Jahrzehnten ziemlich voreilig festgestellt, dass das Klima keine Rolle bei der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung spielt. Diese steile Hypothese wurde fast überall übernommen. Man dachte Zentralheizung und Klimaanlage ermöglichen überall auf der Erde ähnliche künstliche Klimate herzustellen und damit Entwicklungsmöglichkeiten. Die Geographie sollte keine Rolle mehr spielen.
Die Geographie und damit auch die klimatischen Verhältnisse spielen aber eine viel größere Rolle als das die Ökonomen in ihren Einfachmodellen der Wirklichkeit wahrhaben wollen.
Das Klima ist ein ganz großer positiver Faktor zur Lebensqualität, in einem trotz aller wirtschaftlichen Erfolge, noch recht armen Land, wie der Türkei. Das mildere Außenklima ermöglicht selbst im rauheren Anatolien, zwischen Februar bis November, längere Außenaufenhalte.
In Deutschland sind soziale Aktivitäten im Winterhalbjahr zwischen November und März, in diesem Jahr sogar bis April, eng an das Einkommen gebunden. Jede private Aktivität, um das eigenen Haus zu verlassen und Menschen zu treffen, ob Kino, Cafe, Restaurant, Theater und was auch immer, ist mit zum Teil erheblichen Kosten verbunden, die sich vielleicht nicht einmal die Hälfte der alten Menschen leisten kann.
In der Türkei, aber auch in den anderen südlichen Ländern der EU, ist dies zum Teil anders und das liegt am Klima und damit auch bedingt an einer größeren Offenheit. Das Leben spielt sich einfach mehr draußen ab und damit sind die Kontaktmöglichkeiten wesentlich größer, als in den eigenen vier Wänden, die letztendlich zu einer Vereinsamung führen. Es ist für die meisten Türken undenkbar, nicht die Nachbarn in der Straße zu kennen, was in Deutschland die Regel ist.
Parks und kleine Teegärten, ob für die Familie oder nur für Männer, sind in der Türkei inzwischen wesentlich besser gepflegt als die Deutschen Parks, Verzeihung Grünkorridore, die mehr an Hundetoilletten erinnern, als an Parks wo man sich gerne trifft. Ein Teeglas kostet umgerechnet 10 bis 30 Cent und findet sich im kleinsten Dorf, so kann man auch mit fast keinem Geld ausgehen, ohne wie in Deutschland in eine Sozialeinrichtung gehen zu müssen, die kostenlos z.B. im Gemeindehaus für alte Menschen Kaffee macht.
Wir können natürlich nicht den Deutschen Winter abschaffen, aber er führt dazu, das viele, insbesondere alte Menschen mehrere Monate in der eigenen Wohnung „gefangen“ sind und wenig Kontaktmöglichkeiten haben, wenn sie nicht über entsprechendes Geld verfügen oder eng in Gemeinde eingebunden sind.
In Deutschland fehlen günstige Treffpunkte, in denen man auch mit wenig Geld ausgehen kann.