Neue Energien, 12.10.2022
Globale Windabnahme? Wie ist eigentlich die Situation in Deutschland?
Der "Financial Times"-Beitrag “Europe’s electricity generation from wind blown off course” zum Thema erneuerbare Energien und Strompreise und deren Windabhängigkeit sorgte in den Medien für Aufruhr.
Wie ist es um den (globalen) Wind gestellt?
Seit 1980 ist die bodennahe Windgeschwindigkeit über Nordeuropa im Schnitt um 15 Prozent gesunken. Dies entspricht seit den 1960er-Jahren einer ungefähren Abnahme von 0,5 Kilometer pro Stunde - pro Jahrzehnt!
Dieser Wert vermag zunächst gering erscheinen, da die Abnahme subjektiv nur schwer wahrzunehmen sein dürfte. Anders sieht es dagegen für die Windkraft aus - auf sie kann eine weitere Windabnahme verheerende Folgen haben.
Die langzeitige Vorhersage von Wind ist extrem schwierig - so ist es naheliegend, dass sich die Energieerzeuger zurückhalten werden, z. B. ein Jahr im Vorhinein zu kalkulieren.
Das Phänomen der bodennahen Windabnahme wird auch “global stilling” genannt.
Dr. Cesar Azorin-Molina, Klimatologe an der schwedischen Universität Göteborg und leitender Forscher am von der EU finanzierten Projekt “STILLING” ist der Ansicht, dass es dringend erforderlich ist, die Ursache des “globalen stilling” im sich ändernden Klima zu erforschen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt sind damit beschäftigt, einen Grund für diese Abnahme zu finden.
Der Atmosphärenwissenschaftler und Professor an der Universität Reading, Paul Williams, erklärte der Financial Times, dass die Abnahme der bodennahen Windgeschwindigkeit eine Folge des Menschen gemachten Klimawandels sein könnte. Der Klimawandel führt dazu, dass sich die Pole schneller erwärmen als die Tropen und so die Temperaturdifferenz in den mittleren Breiten kleiner wird - was zu einer Schwächung des thermischen Windes in niedrigen Höhen führt.
Jedoch haben laut einer in RECHARGE veröffentlichten Studie die Winde zwischen 2010 bis 2019 wieder stärker zugenommen; mit einem Tempo, das dreimal schneller war als die Abnahme zuvor.
Eine Auswertung von bodennahen Winddaten des DWD, die das Team von donnerwetter.de vorgenommen hat, kam zu einem ähnlichen Ergebnis.
Von den insgesamt 12 untersuchten Standorten konnten wir an sieben Standorten eine zumindest schwache Windzunahme bzw. ein Gleichbleiben des Windes feststellen.
Als Standorte wuren die Flughäfen in den Städten Berlin, Düsseldorf, Flensburg,Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn, Leipzig, Stuttgart und München gewählt. Zusätzlich wurden die Daten der Zugspitze ausgewertet.
An den Standorten Flensburg, Hamburg, Leipzig, Stuttgart und Zugspitze wurde eine leichte Windabnahme festgestellt. Diese Windabnahme ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: Hier spielen nämlich nicht nur klimatische Bedingungen eine Rolle, sondern auch die Veränderung der Bebauung oder der Austausch alter hin zu neuerer Messtechnik. Beide Faktoren könne über einen so langen Zeitraum eine Verschiebung oder Verrückung der Daten zur Folge haben
Experten sind sich noch uneinig, ob es nun wirklich zu einer globalen Abnahme kam und falls ja, wie diese verursacht wurde. Hierbei wird nicht nur die steigende Bebauung, sondern auch das immer stetigere Heranwachsen von Wäldern oder auch Cumuluswolken, die wie eine Art Anker agieren können, als mögliche Erklärungen herangezogen.
Eine Windstärkenveränderung kann verhängnisvolle Folgen nicht nur für die Windenergie- sondern auch die Landwirtschaft und Hydrologie haben. Die Auswirkungen sind hauptsächlich aufgrund des Einflusses des Windes auf die Verdunstung so verheerend.
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