Klima, 04.04.2015
Von Mersin in eine bessere Welt?
Flucht und Vertreibung gibt es seit Menschengedenken, sei es durch Kriege, Missernten, religiöser oder politischer Verfolgung oder wirtschaftlicher Not. Weltweit sind etwa 52 Millionen Menschen auf der Flucht, fast 17 Millionen von ihnen gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Etwa 90 Prozent der Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern, in der Gegenwart vor allem in Afghanistan, Syrien und Somalia. Geflüchtet wird häufig in die Nachbarländer wie Pakistan, Iran, Libanon, Jordanien oder die Türkei. In letztere flohen bislang über 1,8 Millionen Syrer, 150.000 von ihnen hoffen mit ihrer Flucht in die südtürkische Hafenstadt Mersin auf eine sorgenfreie Zukunft in Europa.
Mersin, das Tor nach Europa, zählt offiziell etwa 843.000 Einwohner. Vor allem im öffentlichen Leben ist der Einfluss der Flüchtlingsströme spürbar, in den zahlreichen Cafés wird mittlerweile mehr arabisch gesprochen als türkisch. Die Stadt dient vielen Flüchtlingen als Drehkreuz: Wer die erste Hürde hierhin geschafft hat, peilt als nächsten Schritt meist die EU an – bis zu 6.500 Euro kostet bei den in Mersin ansässigen Schleusern ein Ticket nach Italien, einer der beliebtesten Anlaufstellen der EU. Um sich ein Ticket auf den begehrten Flüchtlingsschiffen leisten zu können, müssen die Menschen, die bereits schon ihre Heimat verloren, auch noch ihr letztes Hab und Gut verkaufen.
Vermittelt werden die „Tickets“ über soziale Netzwerke, in denen Tarife (Frauen, Kinder und Senioren zahlen weniger), Informationen sowie Mobilnummern der Vermittler mitgeteilt werden. Das Geschäft für Schleuser und Mittelsmänner ist äußerst lukrativ, die Vermittler sollen so eine Bearbeitungsgebühr von rund 500,00 Euro pro Passagier erhalten. Zurückhaltung sucht man in den entsprechenden Onlineanzeigen daher vergebens: Wie auf einer Kreuzfahrt wird das nächste Schleuserschiff beworben, mit ihm die Schiffsgröße /-kapazität, voraussichtliches Abreisedatum und natürlich dem wichtigen Hinweis, dass die "Reise" ohne gültigen Pass und Visum auskommt.
Ende letzten Jahres setzten die 970 "Passagiere" der „Blue Sky M“ etwa sechs Millionen Dollar um. Die Zahlung erfolgt übrigens nach der Ankunft in Italien. Wie bei einem herkömmlichen Geldtransfer erhalten die Einzahler einen Code, den sie bei der Ankunft in Italien ihrem Schleuser mitteilen. Falls die Reise in die EU scheitern sollte, gibt es die „Geld-zurück-Garantie“.
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